In gut einer Woche, am 8. Juni 2022, wird der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz (ASUK) möglicherweise beschließen, dass die vom Investor SHP Vinxel GmbH vorgelegten Pläne ausreichen, um ein ganz großes Rad anzuwerfen: die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden. Dieser Schritt wird dann vermutlich als geradezu generöser Akt gegenüber den Vinxeler Bürgern dargestellt werden.
Aber vielleicht können es ja viele der am Entscheidungsprozess Beteiligten noch nicht richtig einordnen, was hier passiert. Wir sprechen hier nicht von der Einrichtung einer Bushaltestelle oder einer überschaubaren Fläche mit drei oder vier Häusern. Vielmehr geht es um nicht weniger als um die Gestaltung eines Ortsmittelpunktes, mit dem die Vinxeler die nächsten 50 Jahre, 100 Jahre und vermutlich noch länger werden leben müssen. Was hier an Wohnraum, an Gemeinschaftseinrichtungen und als Dorfplatz rund um die Vinxeler Kapelle entstehen soll, wird Vinxel für viele Generationen ganz zentral prägen. Wir sprechen von einem Bauvolumen, das recht grob auf 35 bis 50 Mio. EUR zu schätzen ist. Es geht also – zumindest für Vinxel – um etwas ganz Großes. Um die hier erforderliche Wohn- und Aufenthaltsqualität zu garantieren, ist eine sorgfältige Planung nach allen Regeln der Städtebaukunst nicht nur gerechtfertigt, sie ist sogar gefordert.
Statt dessen ist aber zu fürchten, dass es – wie auch bei den früher vorgestellten Plänen – ein Blatt Papier geben wird, auf dem im Maßstab 1:1000 das Bauvorhaben im Grundriss dargestellt ist. Dazu mag es noch ein oder zwei kaum erkennbare Nuancen geben und vielleicht einige Aufrisse mit attraktiver Perspektive auf junge lustwandelnde Menschen unter grünen Bäumen und einigen Vögeln im blauen Himmel.
Auf dieser Basis kann aber selbst der erfahrenste Städteplaner und Architekt keine Entscheidung der genannten Tragweite treffen. Vielmehr braucht es echte Varianten, um Positionierung der Gebäude, Höhen, Dachformen etc. insbesondere im Bezug zur Umgebungsbebauung beurteilen zu können. Dabei ist es unerlässlich und auch absolut üblich, dies in einem Massenmodell (Maßstab 1:500) mit korrekter Geländemodellierung darzustellen. Die verschiedenen Varianten aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet lassen erst langsam ein Urteil reifen. Ein anderes Vorgehen müsste man bei einem Bauprojekt wie hier für Vinxels neue Mitte als stümperhaft bezeichnen, wenn es nicht gar dazu dienen sollte, die eigentlichen Planungsabsichten zu verbergen.
Bis entsprechende Planungsunterlagen vorliegen und genügend Zeit für eine erste Bewertung gewährt ist, darf daher der im TOP 4.2 angesprochene Beschlussvorschlag die „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden“ nicht gefasst werden. Denn dies würde bedeuten, dass von da an Mitarbeiter von Behörden und Unternehmen wie Feuerwehr, Rettungsdienst, Müllabfuhr, Energieversorger, Wasserwerke, Telekommunikationsdienstleister, Naturschutz-, Bodenschutz- und Altlastenbehörden u.ä. zum Teil umfangreiche Stellungnahmen abfassen werden. Es würde also von extern schon viel Zeit in die Planungen investiert. Würden die Ergebnisse der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB dann eine Umplanung erfordern, müssten gegebenenfalls auch die Behörden erneut bemüht werden. Ein solcher Schritt wird erfahrungsgemäß gerne vermieden. Ergebnis: Die bestehende Planung bliebe unverändert. Die Eingaben der Bürger würden – auch dies langjährige Erfahrung – im Regelfall keinen nennenswerten Einfluss auf den weiteren Bauablauf haben.
Aber war nicht im Wahlkampf mehrfach betont worden, dass es nun endlich mehr Beteiligung der Bürger geben solle als bisher? Und hat man dafür nicht sogar einen Ausschusses für Bürgerbeteiligung eingerichtet, um zu betonen, wie wichtig das Thema ist? Und in unserem Fall sollen nun Fakten geschaffen werden, indem man sich auf den ohnehin gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandard an Bürgerbeteiligung zurückzieht, statt mit überzeugenden Argumenten um optimale Lösungen zu ringen?
Ganz am Rande eine weitere Sorge: Am 26. Juni 2022 beginnen in NRW die Sommerferien. Genau in diese Zeit könnte die öffentliche Auslegung der Planunterlagen erfolgen. Wer da seinen Urlaub vor Monaten „falsch“ gelegt hat, könnte seine Einwände gegen die Planung evtl. gar nicht mehr vorbringen.
Vorschlag von Bürgerinitiative und Bürgerverein Vinxel:
- Voraussetzung ist, dass die SHP Vinxel GmbH zur Ausschusssitzung ausreichende Planungsunterlagen vorstellt (siehe oben). Das sind z.B. aussagekräftige Grund- und Aufrisse sowie ein Massenmodell 1:500 in mindestens zwei, besser drei Varianten.
- Sollte dies nicht der Fall sein, kann der Investor dies für einen der nächsten ASUK-Termine einreichen.
- Wenn diese Voraussetzung dann erfüllt sind, beschließt der ASUK eine Bürgerbeteiligung außerhalb des §3 BauGB. Pläne und Modelle werden dazu im Rathaus Thomasberg ausgehängt bzw. ausgestellt. Bürgerinitiative und Bürgerverein Vinxel verpflichten sich, nach den Sommerferien im Kindergarten Löwenzahn (wie bereits im Mai 2019) eine Bürgerversammlung zum Thema abzuhalten. Die Ergebnisse dieses Beteiligungsverfahrens fließen in die Pläne ein. Danach kann relativ kurzfristig das Beteiligungsverfahren nach §3 BauGB eingeleitet werden, bei dem dann deutlich weniger Widerstand der Bürger zu erwarten ist.